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THEATER DER AUTORITAT
© Els Vanden Meersch, Military Landscape II model, 2005, installation

Während die Wissenschaft unaufhörlich die Grenzen des Sichtbaren verschiebt, bis uns die Formen des unendlich Kleinen und des unendlich Großen geboten werden, während die Satelliten als Auge Gottes agieren und die geografischen Karten durch pixelisierte Straßen und Täler ersetzen, während unser Kommen und Gehen auf offener Straße durch Kameras überwacht wird und die so genannten „Privat“leben durch die allgemeine, sich auf alle Angelegenheiten der Welt erstreckende Mediatisierung zu öffentlichem Gut werden, werden, ohne dass wir uns dessen bewusst sind, dem Blick Prothesen verabreicht.

Mithilfe der Bildschirme, die uns umgeben, haben wir heute Zugang zu zahlreichen visuellen Informationen, die wir meist verkonsumieren, ohne sie zu überprüfen, wobei wir vergessen, dass es sich immer um mediatisierte Bilder handelt, um Bilder, die ausgewählt und verbreitet wurden, und nicht um eine direkte Konfrontation unseres Auges mit den Dingen, die es entdeckt, wenn es durch die Welt reist. Das Phänomen, das, was daraus hervorgeht, ist heute für die meisten von uns ein visuelles Erlebnis aus zweiter Hand, das von einer Medienmacht oder einer politischen bzw. wissenschaftlichen Macht verzerrt und gelenkt wird.   
Durch die Instrumente der polizeilichen, militärischen und selbst privaten Überwachung sind auch wir Zielobjekt der einäugigen Augen einer Autorität geworden, die uns mit einem anonymen und geheimen Blick verfolgt, wenn wir durch die Straßen gehen, ohne dass wir eine andere Möglichkeit hätten, als uns (passiv) sehen zu lassen, und ohne dass wir die Möglichkeit (oder Lust) hätten, uns zu verstecken. Wir sind Exhibitionisten wider Willen und müssen die Omnipräsenz dieser schwarzen, mechanischen Kontrollaugen hinnehmen, ohne dass es uns möglich wäre, dem Voyeur, der uns beobachtet, in die Augen zu schauen.

Aber was sieht man genau, wenn man dieser Autorität des Sichtbaren heute gegenübertritt? Wenn man es in die Enge treibt und mit seinen Widersprüchen konfrontiert, oder wenn man, ganz im Gegenteil, die Zielobjekte aus einem anderen Blickwinkel betrachtet? Das sind die Fragen, die durch die Bilder dieser Ausstellung aufgeworfen werden. Durch die Mittel selbst dieser mechanischen Beobachtung, durch Fotos und Videos, trüben sie unseren Zugang zum Sichtbaren und enthüllen die Abstraktion dessen, was eigentlich lesbar sein soll.
Die gesamte Welt bleibt unerreichbar …

(Anne-Françoise Lesuisse)

 

>>> Hier können Sie Informationstexte zu den Künstlern, die in der Ausstellung "Die Ungezähmten" präsentiert werden, downloaden.